Der Ägyptische Schöpfungsmythos

Im unendlichen Raum, fluidisch und adynamisch, in der finsteren und tiefen Leere verbarg sich das Antlitz „Desjenigen, der verborgen ist“, derjenige, der sich als Quelle des Lebens und des Lichtes offenbaren sollte und dem gesamten kosmischen Werden seinen Anfang gab. Aus dem Nun, dem primordialen Dunkel, ging Atum hervor und offenbarte sich durch seine Neteru, seine Eigenschaften, die große Enneade der Götter.
 
Die Pyramidentexte, die in Stein gemeißelten Hieroglyphen in den Grabkammern der V. und VI. Dynastie, erzählen von einem Reiseweg des Kommen und Gehens, von einer Reise, auf die sich der göttliche König begeben muss, um siegreich zurückzukehren, nachdem er alle Himmel durchschritten hatte, um sich verdienstvoll zu Seiten des Höchsten Gottes niederzulassen und in Ewigkeit zu leben.
 
Der ägyptische Schöpfungsmythos
 
Die Texte beleuchten eine Kosmogonie, die nicht nur das Mysterium der Schöpfung erklärt, sondern gleichzeitig für die Ägypter eine Unterweisung war, welchen Weg sie einschlagen mussten, um zum Ursprung, zur Quelle des Lebens zurückzukehren. Ein im wahrsten Sinne asketischer Reiseweg, gedacht für all jene, die sich für die umwandelnde Vereinigung mit dem Sonnengott als würdig erweisen wollten.
 
Die Geschichten der ägyptischen Kosmologie lassen uns noch heute staunen, aber vor allem machen sie uns neugierig, in ihrer reichhaltigen Symbolik voller Mythen und offensichtlicher Phantasiewesen die Ursprünge unserer jüdisch-christlichen Religion wiederzufinden, vor allem in ihrem Kult von dem „einen Gott“.
 
Du bist der Schöpfer derer, die in den Höhen und in den Tiefen leben. Du bist der einzige Gott, der am Anfang der Zeiten ins Sein trat. Du hast die Erde erschaffen, du hast den Menschen geformt. O göttliches Kind, Erbe der Ewigkeit, o König der Welt, die Versammlung der Götter frohlockt, wenn Du Dich erhebst und
durch den Himmel schwebst.
Papyrus von Hu-Nefer